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Ingenieure in der Wirtschaft



          Deutschland braucht Ankerstädte

          Wohnungswirtschaft und Bundesstiftung Baukultur fordern neue Gemeinschaftsaufgabe
          „Ländliche Räume“


         B      oomende  Großstädte  auf  der  über Fach- und Arbeitskräftemangel,  städte.  Diese  gilt  es,  strukturell  zu
                einen,  abgehängte  Abwan -
                                                                                stärken  und  baukulturell  aufzuwer-
                                             der sich aufgrund der Abwanderung
                derungsregionen auf der ande-
          ren Seite. Die Unterschiede zwischen  beständig  verschärft.  Die  Entleerung  ten“,  erklärte  Nagel.  Darunter  sind
                                             ländlicher Räume lässt sich also nicht
                                                                                diejenigen  Städte  zu  verstehen,  die
          Stadt  und  Land  werden  in  Deutsch -  mit dem oft beschworenen Dreiklang  ihre his torische Funktion als zentraler
          land  immer  größer.  Die  gleichwerti-  von  Arbeitslosigkeit,  Armut  und  Ab -  Han dels-,  Kommunikations-  und  Be -
          gen Lebensbedingungen stehen bun -  wanderung  erklären.  Ursache  ist  vor  geg nungsraum  in  den  vergangenen
          desweit  auf  dem  Spiel.  „Um  die  Le -  allem  eine  Spätfolge  der  demografi-  Jahr zehnten  erhalten  und  ausgebaut
          bens qualität  in  Deutschland  flächen-  schen  Entwicklung:  Die  infolge  des  haben.
          deckend  und  langfristig  zu  sichern,  Pillenknicks schwächer besetzten Ge -
          brauchen wir eine neue Bund-Länder-  burtsjahrgänge  seit  den  1970er  Jah -
                                                                                Polyzentralität zum Leitbild
          Gemeinschaftsaufgabe   ‚Ländliche  ren waren die ersten, die sich in den
          Räume‘“,  erklärte  Axel  Gedaschko,  sogenannten  Schwarmstädten  kon-  machen, Ortskerne stärken,
          Präsident  des  Spitzen verbandes  der  zentriert  haben,  wodurch  die  Dich te  aktive Bodenpolitik fördern
          Wohnungswirtschaft,  bei  einer  Pres -  an  Gleichaltrigen  annähernd  gleich-
                                                                                „Polyzentralität  muss  in  Deutschland
          se konferenz  zum  Auf takt  des  Tages  mäßig  über  Deutschland  gesunken
                                                                                zum  Leitbild  werden“,  forderte  Ge -
          der  Wohnungs wirt schaft  in  Berlin.  ist.  In  den  Schwarmstädten  herrscht
                                                                                daschko. „Wohnstandorte sind lang-
          Hierfür sei auch eine gut ausgestatte-  dagegen  Urbanität,  Vielfalt,  Dichte
                                                                                fristig  nur  attraktiv,  wenn  die  Ver -
          te  Städtebauförde rung  mit  starker  und Lebendigkeit. Die Folge ist auch
                                                                                sorgung  mit  Einkaufsmöglichkeiten,
          wohnungswirtschaftlicher  Kompo -  ein  neues  Pendlermuster:  morgens
                                                                                die  medizinische  Infrastruktur,  kultu-
          nente  notwendig.  „Ziel  einer  neuen  aus  der  Schwarmstadt  zum  Arbeits -
                                                                                relle  Einrichtungen  und  Bildungsan -
          Raumordnungspolitik  muss  es  sein,  platz und abends wieder hinein.
                                                                                gebote vorhanden sind.“ Dafür müs-
          stabile Mittelstädte in ganz Deutsch -
                                             „Um  die  demografische  Spaltung  sten  Raumordnung  und  Regional -
          land zu identifizieren und diese durch
                                             Deutschlands, schrumpfende Einwoh -  planung  neu  ausgerichtet  und  ge -
          ein attraktives Orts- und Stadtbild zu
                                             nerzahlen in ländlichen Räumen und  stärkt werden. „Wir brauchen geeig-
          zukunftsfähigen  An kerstädten  zu
                                             den Verlust der regionalen Kultur zu  nete Förderstrukturen, um die Attrak -
          machen“,  fügte  Reiner  Nagel,  Vor -
                                             verhindern,  brauchen  wir  Anker -  tivität der Abwanderungsregionen zu
          standsvorsitzender  der  Bun desstif -
          tung  Baukultur,  hinzu.  Diese  Anker -
          städte  seien  als  zentrale  Wohn-,
          Handels- und Kommunika tions stand -    
          orte  mit  Ausstrahlwirkung  auf  ihr    Deutschland
          Umland  grundlegendes  Ele ment  für
          das  Entstehen  nachhaltig  le bendiger
          Wohn- und Lebensstand orte.

          Demografische Spaltung
          Deutschlands verhindern –
          Ankerstädte stärken

          Abwanderung  insbesondere  junger
          Menschen  betrifft  praktisch  flächen-
          deckend  alle  ländlichen  Räume  in
          Deutschland.  Und  das,  obwohl  die
          schrumpfenden  Regionen  heute  in
          weiten  Teilen  durchaus  wirtschaftlich
          stark sind und verbreitet eine arbeits-      © Bundesstiftung Baukultur, Design: Heimann und Schwantes
                                                    
          marktbedingte  Abwande rungsnot -        
          wendigkeit  nicht  existiert.  Vielmehr
          klagen  die  dortigen  Unternehmen  Quelle: GdW / Bundesstiftung Baukultur


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