worksite 2458150 1280 prvwDer Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion „für mehr Steuerung und Akzeptanz beim Windenergieausbau und zur Beschleunigung des Wohnungsbaus“ (20/14234) hat bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am Mittwoch Zuspruch unter Kommunalvertretern gefunden. Die darin geplanten Änderungen des Windflächenenergiebedarfsgesetzes und des Baugesetzbuches sollen laut Unionsfraktion mehr Akzeptanz für die Energiewende schaffen und die Neubautätigkeit bundesweit ankurbeln. Der Windenergieausbau gelinge nur mit ambitionierten Zielen und Schaffung von Akzeptanz vor Ort, schreiben die Abgeordneten in dem Entwurf. Hierzu sei ein abgestimmtes Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen unerlässlich. Für das Gelingen der Energiewende und eines beschleunigten Ausbaus von erneuerbaren Energien sei dabei von entscheidender Bedeutung, dass die Flächenplanungen vor Ort durch klar ausgewiesene Windenergiegebiete gesteuert werden können. Geregelt werden soll unter anderem, dass dem überragenden öffentlichen Interesse aus Paragraf 2 EEG hinsichtlich der Flächen für die Windenergie an Land Rechnung getragen sei, wenn die Flächenziele des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG ) erreicht werden.

Um den Wohnungsbau voranzubringen, sieht die Union vor, das Baugesetzbuch um eine bis Ende 2029 befristete Sonderregelung zu ergänzen. Vorgesehen ist, unter bestimmten Umständen auf den Erlass oder die Änderung eines Bebauungsplanes verzichten zu können. Dabei greifen CDU und CSU den von der Bundesregierung geplanten Paragrafen 246e des Baugesetzbuches („Bauturbo“) auf.

Wolfram Axthelm, Geschäftsführer beim Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sieht mit Blick auf den Windenergieausbau kein Erfordernis für einen derart weitgehenden Eingriff des Bundesgesetzgebers. Der Gesetzentwurf scheine vor allem einer spezifischen Situation in einer Region Nordrhein-Westfalens begegnen zu wollen, sagte er. Der vorliegende Entwurf gehe insgesamt aber deutlich zu weit. Er könne die Flächenausweisung bundesweit ins Stocken bringen und darüber hinaus zu einem Mehraufwand bei Planungsträgern, ehrenamtlichen kommunalen Entscheidungsgremien und Behörden führen, sagte Axthelm. Der angedachte Eingriff in Paragraf 2 EEG wäre aus seiner Sicht zudem ein drastischer Rückschritt gegenüber der bisherigen zielorientierten Genehmigungspraxis und würde zu massiven Genehmigungs- und Investitionsunsicherheiten führen. „Wir plädieren dafür, den deutlich zu weit greifenden Gesetzentwurf nicht weiter zu verfolgen und den Planungsträgern vor Ort den notwendigen Spielraum für ihre Arbeit zu belassen“, sagte der BEE-Vertreter.

Bernd Düsterdiek, Beigeordneter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, hält hingegen die Neuregelung für zwingend erforderlich. In vielen Flächenländern habe man es beim Ausbau der Windenergie an Land mit einer ungesteuerten Entwicklung zu tun, die so nicht mehr hingenommen werden könne und die zu einem massiven Akzeptanzverlust in der Bevölkerung führe, sagte er.

Professor Klaus Grigoleit vom Bereich Raumplanungs- und Umweltrecht der Technischen Universität Dortmund verwies darauf, dass die Länder nach dem WindBG zu den Stichtagen 2027 beziehungsweise 2032 einen bestimmten Anteil ihrer Landesfläche als Windenergiegebiete auszuweisen hätten. Das Planungsbedürfnis drohe aber konterkariert zu werden, wenn durch eine Vielzahl von Genehmigungen vor Abschluss der Ausbauplanung und unabhängig von ihren Ausweisungen vollendete Tatsachen geschaffen würden. Vor diesem Hintergrund sei es folgerichtig, wenn der vorliegende Gesetzentwurf nun die Sicherung des Planungsbedürfnisses auf der Ebene des Bundesrechts vorsieht. Vermieden werden müsse aber, dass durch eine flächendeckende Zurückstellungspraxis ein Genehmigungs- und Ausbaustopp eintritt, „der geeignet ist, die Ausbauziele in Frage zu stellen“.

Olaf Gericke, Landrat des Kreises Warendorf und Präsident des Landkreistages Nordrhein-Westfalen, sagte, es handle sich keineswegs um ein auf Nordrhein-Westfalen beschränktes Problem. Mit Blick auf die Akzeptanz vor Ort dürfe der Ausbau von Windkraftanlagen und deren Standortwahl nicht ungesteuert erfolgen, sagte Gericke. „Ohne diese Akzeptanz wird die Energiewende nicht gelingen.“ Der Gesetzentwurf habe erkennbar die Intention, die umfangreich geänderte Gesetzgebung zur Windenergie an Land dahingehend weiterzuentwickeln, „dass das Ziel eines gesteuerten Ausbaus von Windenergie an Land sichergestellt wird“.

Aus Sicht der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände sind die mit dem Gesetzentwurf verfolgten Ziele zu begrüßen. Ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energien sei dringend notwendig. Hierfür sei jedoch auch die Akzeptanz der Projekte vor Ort erforderlich, die eine sorgsame Steuerung des weiteren Ausbaus voraussetze. Diese Steuerungsmöglichkeiten seien mit zahlreichen neuen Gesetzen zum Ausbau der Windenergie in den vergangenen Monaten eingeschränkt worden, heißt es weiter. Die Planungs- und Genehmigungsbehörden in den Kommunen, aber auch die Investoren, seien mit einer Vielzahl von neuen Regelungen konfrontiert, die Rechtsunsicherheiten hervorriefen, die Planung und Genehmigung erschwerten, Nutzungskonkurrenzen nicht berücksichtigten und damit den Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt erschwerten.

Was die Regelung im Baugesetzbuch angeht, so bemängelt die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in ihrer Stellungnahme, die im Entwurf vorgeschlagene Formulierung gehe weit über die bisher diskutierten Regelungen zum Paragraf 246e Baugesetzbuch hinaus und verzichte sowohl auf die Beschränkung des Instruments auf angespannte Wohnungsmärkte als auch auf eine Vorgabe einer bestimmten Anzahl von Wohnungen.

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH), lehnt indes den geplanten Paragraf 246e Baugesetzbuch vollständig ab. Er stelle einen besorgniserregenden Eingriff in die Prinzipien einer nachhaltigen Stadtentwicklung und kommunalen Selbstverwaltung sowie eine ernsthafte Bedrohung für Umwelt-, Klima- und Naturschutz dar. Der Gesetzentwurf der Union enthalten gegenüber der im Bundeskabinett beschlossenen Version des Paragrafen 246e sogar noch mehrere Verschlechterungen, „die dem geplanten Gesetzesvorhaben zusätzlichen Schaden zufügen“, kritisierte Metz. „Wir brauchen den Bauturbo, aber nicht im Neubau, sondern im Bestand“, sagte sie.

Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), hält hingegen in Anbetracht der erheblichen Wohnungsnachfrage bei gleichzeitiger Baukrise die Einführung einer Sonderregelung für den Wohnungsbau für sehr sinnvoll. Das Ziel, den Bau von bezahlbarem Wohnraum für alle zu vereinfachen, werde so zumindest teilweise erreicht. Unbestimmte Rechtsbegriffe erhöhten jedoch die Rechtsunsicherheit - die Befristung bis 2029 begrenze den zeitlichen Anwendungsbereich. „Um die aus der Sonderregelung resultierenden Chancen vollumfänglich zu nutzen, sollte insofern nachgebessert werden“, betonte Salewski. So wie das überragende öffentliche Interesse für den Bau von Windenergieanlagen im Gesetzentwurf auch bauplanungsrechtlich abgesichert und gestärkt werde, müsse dies im Ergebnis auch für den Wohnungsbau gelten, forderte er.

Aus Sicht von Peter Münster, Erster Bürgermeister der Gemeinde Eichenau (Bayern), sind die Überlegungen der Unionsfraktion zum WindBG insoweit konsequent, als bei Erreichen der anlagenbezogenen Flächenbeitragswerte das Ziel der Einführung des überragenden öffentlichen Interesses erfüllt sein soll. Als Ausnahmefall in der Konkurrenz rechtlicher Schutzgüter scheine diese Grenze auch angebracht, um die nicht einzubeziehenden Flächen von weiteren Beschränkungen freizuhalten, befand er. Wesentlich werde bei der Beurteilung der Wirksamkeit aber sein, ob auf den definierten Flächen auch tatsächlich Anlagen entstehen.

Der Gesetzentwurf stehe im Zusammenhang mit der unklaren Rechtslage, ob Bundesländer die Kompetenz haben, eigene landesgesetzliche Plansicherungsinstrumente zu schaffen, befand Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht. Es obliege dem Bundesgesetzgeber, diese Situation zu bewerten und zu entscheiden, ob er die Unsicherheit durch eine bundesrechtliche Klarstellung auflösen möchte.

Christian Mildenberger, Geschäftsführer der NRW.Energy4Climate GmbH, der Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz, verwies auf die Ausbauzahlen bei der Windenergie, die sich sehen lassen könnten. In Nordrhein-Westfalen seien im letzten Jahr 154 Windenergieanlagen mit einer Leistung von rund 750 Megawatt in Betrieb genommen worden - 676 Anlagen mit einer Leistung von mehr als 4.000 Megawatt seien genehmigt worden. Bei den Genehmigungen entspreche das 40 Prozent des Jahresziels des EEG bei einem Flächenanteil von Nordrhein-Westfalen von zehn Prozent an der Bundesfläche. Es gehe also nicht darum, den Ausbau auszubremsen, sagte Mildenberger. „Aber für einen nachhaltigen Hochlauf der erneuerbaren Energien braucht es Ambition und Akzeptanz.“ Wenn es jedoch in einer Planungsregion 252 vollständige Vorbescheidsanträge gebe, bei denen 199 außerhalb ausgewiesener oder geplanten Windenenergieflächen liegen, mache das eine Planung, bei der Anwohner eingebunden werden sollen, schwierig. Der Gesetzentwurf ziele darauf ab, diese nicht beabsichtigte Regelungslücke zu schließen.

Quelle: Deutscher Bundestag