Page 18 - ZBI-Nachrichten 5-6/2017
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Bericht aus Brüssel
Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts
EU-Kommission will das Gesellschaftsrecht modernisieren – und übersieht die sozialen Folgen
E in neues Vorhaben der EU- liche Standards geben, die dem höch- erleichtert werden, so der DFK, flan-
sten Standard eines Mit gliedslandes
kierende Mindestregelungen sind
Kommission lässt Ungemach
entsprechen, in dem das Unterneh -
für deutsche Arbeitnehmer -
aber unerlässlich. Das gelte auch bei
rechte befürchten. Die EU-Kommis - men tätig ist. Bei gesellschaftsrecht- der von der EU erwogenen erleichter-
sion will bis Jahresende einen Vor - lichen Änderungen müssen Folgen für ten Möglichkeit, den Sitz eines Unter -
schlag zur Modernisierung des euro- Arbeitnehmerrechte, für die Mitbe - nehmens zu verlegen: „Hier muss
päischen Gesellschaftsrechts vorlegen. stimmung und die Ar beitnehmer ver - sichergestellt werden, dass Verwal -
Verständnis kann man für das Ansin - tretung in Aufsichts räten mitbedacht tungssitz und registergerichtlicher Sitz
nen schon haben: Gerade wenn es werden. Dies scheint die Kommission im europäischen Gesellschaftsrecht
z.B. um die Nutzung von Online-Tools aber überhaupt nicht einzuplanen.“ einheitlich bleiben und nicht ausein-
bei der Gründung und Führung einer anderfallen dürfen. Ansonsten be -
Dabei sind deutsche Mitbestim -
Gesellschaft sowie um deren grenz- stünde die Gefahr, dass ein neuer
mungs tandards bereits von der Kom -
überschreitende Mobilität geht, sollte rechtlicher EU-Rahmen schon da -
mission aufgeweicht worden. Vor
der rechtliche Rahmen für die digitale durch zu einem spürbaren Rückgang
allem die Systematik der SE führt nach
Möglichkeiten im Gesell schafts recht von mitbestimmten Unternehmen in
Feststellungen des DFK dazu, dass
feststehen. Jedoch übersieht die Kom - Deutschland führt“, so Goldschmidt.
Leitende Angestellte i.d.R. nicht mehr
mission nach Ansicht des Berufsver -
in den Aufsichtsräten einer SE vertre- Die Kommission arbeitet parallel an
bandes DIE FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK
ten sind. „Damit verliert der Auf - einer „Stärkung der Europäischen
dabei gänzlich die Folgen für die
sichtsrat einen äußerst wichtigen Säule sozialer Rechte“. In dem vorlie-
Sicherung von Arbeit nehmerrechten
Know-how-Träger“, so Goldschmidt. genden Vorstoß zu neuen gesell-
wie auch der Mit bestimmungs -
Das deutsche Mitbestimmungsgesetz schaftsrechtlichen Formen wäre die
standards. In dem von der EU-Kom -
aus dem Jahre 1976 garantiert den Gelegenheit gewesen, dabei die sozi-
mission eingeleiteten Kon sultations -
Leitenden Angestellten einen Platz im ale Seite zumindest zu schützen und
verfahren spielt der Schutz dieser
Aufsichtsrat. Das fehlt für die SE kom- gerade nicht nur einseitig auf die
Rechte und Standards keinerlei Rolle.
plett.“ Mitbestimmungspraktiker wol- Erleichterung von grenzüberschreiten-
Dr. Ulrich Goldschmidt, DFK-Vor - len auf die Expertise eines Vertreters den Gesellschaftsformen zu setzen.
stands vorsitzender: „Bei einer gesell- der Leitenden Angestellten im Auf - Goldschmidt: „Die EU-Kommission
schaftsrechtlichen Veränderung in sichtsrat heute nicht mehr verzichten. zeigt, dass sich die neue Bundes -
Europa müssen die in der jeweiligen regierung für die in Deutschland
Der DFK macht sich dafür stark, die
Gesellschaftsform geltenden Arbeit - bewährten Mitbestimmungsstandards
Arbeitnehmervertretung im Auf sichts -
nehmer- und Mitbestimmungsrechte auf EU-Ebene dringend mehr einset-
rat auch in Europäischen Gesell -
mitbedacht werden. Insbesondere die zen muss als bisher“. Ein klarer Auf -
schaftsformen insgesamt sicherzustel-
Mitbestimmung der Arbeitneh merIn - trag also an die Parteien in Berlin.
len. Die gesellschaftsrechtlichen Ver -
nen im Aufsichtsrat muss gesichert
fahren und Instrumente können also (DFK)
werden. In der Vergangenheit hat es
schon Versuche gegeben, das Niveau
der Unternehmensmitbestimmung
durch die gesellschaftsrechtliche Hin -
ter tür abzusenken.“
In der Tat hat sich z.B. bei der Ein -
führung der Europäischen Aktienge -
sellschaft (SE) gezeigt, dass es große
Risiken für die Standards der deut-
schen Mitbestimmung gibt. Diese dür-
fen sich, so der DFK, nun nicht durch
weitere Gesellschafts neuerun gen und
-formen weiter verfestigen. Ulrich
Goldschmidt: „Für die Euro päischen
Gesellschaftsformen muss es verbind- Bild (c) panthermedia.net / filmfoto
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