Page 7 - ZBI-Nachrichten 3-4-2021
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Ingenieure in der Gesellschaft
Klimagerechtes Planen und Bauen
Von Ute Zeller, Vizepräsidentin des ZBI
S pricht man von dem durch Bauplanung ansetzen – lieber heute bar. Intensive Niederschlagsereignisse
menschliches Handeln verur-
als morgen.
überfordern öffentliche Entwässe -
sachten Klimawandel, spricht
Zusätzlich ist auch die Anpassung und rungssysteme und führen zu einer
man vor allem über die Emission von Überlastung der bestehenden Infra -
Resilienz der Bauwerke und Städte an
Treibhausgasen wie CO 2 . Lange struktur.
die bereits eingetretenen und künftig
sprach man allerdings nicht deutlich
zu erwartenden Klimaveränderungen Die nachlässige Betrachtung einer
genug von der bedeutenden Rolle des
in den Blick zu nehmen. Klimaschutz zukunftsorientierten Baukultur führt
Bauens für die immer weiter steigen-
und Klimaanpassung zwingen zu daneben zu einem enormen Verlust
den Emissionen. Soll das 2015 mit
einem Wandel der vorhandenen der biologischen Vielfalt. Mikroklima
dem Pariser Klimaabkommen gesetz-
Strukturen. und Sauerstoff weichen Smog und
te 1,5-Grad-Ziel noch erreicht wer-
überhitzten Wohnquartieren, Beton
den, müssen sich alle ihrer Ver -
und Asphalt versiegeln grüne Le -
antwortung für nachfolgende Gene -
bensräume. Der urbanisierte Raum
rationen bewusst werden und ihr
darf nicht weiter als Gegenspieler zu
Handeln daran ausrichten. Denn das
den unbebauten Freiflächen gesehen
zur Verfügung stehende Zeitfenster
werden. Ziel muss ein symbiotisches
zum Gegensteuern schließt sich
Zusammenwachsen von urbanem
schnell.
Raum und Natur im Sinne der „dop-
Auch die im Bund Deutscher Bau - pelten Innenentwicklung“ sein.
meister, Architekten und Ingenieure
verbundenen Berufsgruppen sind auf- Auch die wirtschaftliche Dimension
gefordert zu handeln. Denn allein der des Klimawandels ist enorm. Daher ist
Gebäudebetrieb ist für einen wesent- es nicht nur für den Erhalt der
lichen Teil des Energieverbrauchs Lebensqualität, sondern auch aus
(40 %) und der CO 2 -Emissionen Dipl.-Ing. (FH) Ute Zeller ist seit April 2019 ökonomischer Sicht geboten, jetzt in
(36%) in Deutschland und Europa Vizepräsidentin des ZBI. Sie ist zudem die Vermeidung oder Begrenzung des
verantwortlich. Hinzukommen der Vizepräsidentin des BDB – Bund Deutscher Klimawandels zu investieren. Ein spä-
Bau prozess und die Baustoffher stel - Baumeister, Architekten und Ingenieure teres Handeln wird nur immer höhere
sowie Vorsitzende BDB-Bildungswerkes
lung (graue Energie), die bei einem Kosten verursachen.
Baden-Württemberg e.V.
durchschnittlichen Neubau heute
Nach der Studie des Bundesum -
mehr als 50% des Energieverbrauchs
weltministeriums verfehlt der Ge -
in dessen gesamten Lebenszyklus aus- Der gesamte Planungs- und Bau -
bäudesektor die bis 2030 gesteckten
machen. Um den Diskurs der Verant - prozess muss grundlegend neu
Ziele der Bundesregierung zur CO 2-
wortlichkeit und der daraus resultie- gedacht und bewertet werden. Die
Minderung selbst bei Annahme der
renden politischen Schlussfolgerun - notwendige Veränderung beginnt bei
Umsetzung sämtlicher beschlossenen
gen ehrlicher zu führen, muss der den Rahmenbedingungen in der
Maßnahmen. Der Gebäudebereich
Bausektor ganzheitlich betrachtet und Stadt planung und geht über die
soll nach dem Klimaschutzplan der
die bislang dem Industriesektor zuge- Fertigung der Bauprodukte, die Er -
Bundesregierung bis 2050 „weitge-
schlagene Baustoffherstellung einbe- richtung des Gebäudes bis zum Be -
hend klimaneutral“ sein. In An -
zogen werden. trieb und zur nachgelagerten Effi -
betracht der Nutzungszeiten von
zienz betrachtung von Bauwerken und
Über die CO 2-Emissionen hinaus spielt heute neu errichteten Gebäuden, die
ganzen Quartieren.
auch der Ressourcenverbrauch (z.B. regelmäßig weit über diesen Zeit -
Flächen, Baustoffe) und die sich daran Durch häufiger auftretende extreme punkt hinausreichen und unter
anschließende Frage der Rückge - Wetterphänomene wird unsere Zu - Berücksichtigung des Bestandes so -
winnung und Weiter-/Wiederver wen - kunft von höheren Temperaturbelas - wie der Ausnahmen im Denkmal -
dung von Rohstoffen eine Rolle. Die tun gen und -schwankungen geprägt bereich dürfen Neubauten als kom-
Nutzung und Ertüchtigung des bau- sein. Dies führt zu Veränderungen pensatorische Maßnahmen nur noch
lichen Bestandes ist der Schlüssel zur auch in den Innenstädten. Ein Verlust als „Plusenergiebauwerke“ geplant
Erreichung der Klimaziele. Hier muss der dortigen Lebensqualität ist abseh- und gebaut werden.
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