Page 10 - ZBI-Nachrichten 5-6-2022
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Ingenieuraus- und -weiterbildung



            Fachkräftemangel als Fortschrittsbremse

            Mehr Future Skills erforderlich




           D      er  Fachkräftemangel  bleibt  Gelinge es nicht, in diesen Bereichen  „Wir werden auf unserem Fachkräfte -
                                               umzusteuern,  verschärfe  sich  der
                                                                                  mangel  allerdings  sitzen  bleiben,
                  nach Energie- und Klimakrise
                  die  größte  Herausforderung
                                                                                  und Schüler, die auf der Strecke blei-
            für  die  deutsche  Wirtschaft.  Für  die  Mangel dort weiter.        wenn  es  nicht  gelingt,  Schülerinnen
                                               Sorge  bereitet  dem  Wissenschaftler
            Bewältigung  der  dafür  notwendigen                                  ben,  mit  in  die  Berufsausbildung  zu
                                               zudem  der  Rückgang  der  Nachfrage
            infrastrukturellen  Aufgaben  fehlt                                   integrieren“,  sorgte  sich  stattdessen
                                               nach  dualer  Ausbildung.  Nach  Auf -
            massiv  geschultes  Personal.  Darin                                  Jan  Krüger  vom  Hauptvorstand  des
                                               fassung  Ertls  könnten  Unternehmen
            waren  sich  Sachverständige  aus  In -                               Deutschen   Gewerkschaftsbundes
                                               stärker bei jungen Leuten damit wer-
            dustrie,  Wissenschaft  und  Gewerk -                                 (DGB).
                                               ben, dass ihre Branchen auch für den
            schaft  während  eines  öffentlichen
                                               Umwelt-  und  Klimaschutz  produzie-  Auch im vergangenen Jahr seien zirka
            Expertengesprächs  des  Bundestags -
                                               ren. Das BIBB will mit einer Kampagne  230.000   junge   Menschen   im
            ausschusses  für  Bildung,  Forschung
                                               für  zukunftsrelevante  Berufsfelder  Übergangssystem  gelandet,  in  dem
            und  Technologieabschätzung  einig.
                                               junge  Menschen  für  diese  Ausbil -  kein  berufsqualifizierender  Abschluss
            Der Fachkräftemangel drohe zu einer
                                               dungen  gewinnen.  Die  Kampagne   erlangt   werden   könne.   Beim
            „Transformationsbremse“ zu werden,
                                               soll eingebettet sein in die „Strategie  Übergang von Schule zur Ausbildung
            heißt es.
                                               der  Bundesregierung  zur  Fachkräfte -  müsse  der  Staat  deshalb  dafür  sor-
            Zwei  Millionen  offene  Stellen  und  sicherung“.                    gen, dass „kein junger Mensch verlo-
            400000 mehr Menschen, die in Rente                                    ren geht“. Dazu gehöre zum Beispiel
            gehen  werden  als  aus  der  Schule  in                              der  qualitative  und  quantitative
                                               Future Skills erforderlich
            den Berufsbereich einmünden, mach-                                    Ausbau  von  Jugend berufsagenturen,
            ten  deutlich,  so  Achim  Dercks  vom  Katharina  Hölzl,  Professorin  für  Ar -  die eine „assistierte Begleitung“ in die
            Deutschen Industrie- und Handelstag  beitswissenschaft  an  der  Universität  Ausbildung  ermöglichen  sollen.  Ziel
            (DIHK),  dass  sich  der  Fachkräfte -  Stuttgart  und  am  Fraunhofer  Institut  müsse  immer  der  Berufsabschluss
            mangel  noch  verschärfe.  Berufliche  IAO,  kritisierte  mit  Blick  auf  die  bleiben.
            Bildung  müsse  hier  gegensteuern.  Schlüsseltechnologien  vor  allem  die
                                                                                  Um  Geschlechterklischees  bei  der
            Leider  habe  die  duale  Ausbildung  Hochschulen. Für die Nutzung digita-
            durch  Corona  einen  Einbruch  erlebt,  ler Technologien bedürfe es, so Hölzl,  Berufswahl  vorzubeugen,  sollte  die
            sodass  in  Folge  der  Pandemie  zehn  „ganz  anderer  Fähigkeiten“,  als  sie  Wirtschaft  nicht  nur  eine  andere
            Prozent weniger Ausbildungsstellen in  bisher  gelehrt  würden.  Es  müssten  Arbeitszeit-, sondern auch eine ande-
                                                                                  re  Unternehmenskultur  etablieren,
            den  Betrieben  angeboten  worden  sogenannte  „future  skills“  vermittelt
            seien. Umso wichtiger sei es, betonte  werden.  Unter  future  skills  versteht  appellierte der Gewerkschafter an die
            Dercks  als  Vertreter  der  Arbeitgeber,  die  Wissenschaftlerin,  „unternehme-  Arbeitgeber.
            junge Menschen mit „hochwertigen“  risch  denken  und  handeln  zu  kön-
            Angeboten  für  eine  qualifizierte  be -  nen“  sowie  in  der  Lage  zu  sein,  die  Lebensbegleitende
            rufliche  Ausbildung  zu  motivieren.  „Verantwortung  für  sich  selbst  und  Weiterbildung
            Hier plane der DIHK für das kommen-  andere zu übernehmen“. Dafür müs-
            de  Jahr  eine  eigene  Kampagne,  die  sten „die Curricula anders ausgerich-  Des  Weiteren  sei  eine  lebensbeglei-
            nicht  nur  die  Jugendlichen,  sondern  tet  sein,  als  sie  es  aktuell  sind“.  tende  Weiterbildung  gesetzlich  zu
            auch deren Eltern ansprechen solle.   Studiengänge  müssten  daher  refor-  verankern,  die  es  den  Fachkräften
                                               miert werden, weil nicht mehr „zeit-  ermögliche,  sich  jederzeit  weiter  zu
            Politik  müsse  „genau  hinsehen,  wo
                                               gemäß“.                            qualifizieren  oder  –  wenn  nötig  –
            die  Engpässe  tatsächlich  liegen“.
                                                                                  beruflich neu zu starten. Darüber hin-
            Darauf wies Professor Hubert Ertl vom  Hölzl  bedauerte  in  dem  Zusammen -  aus  ließe  sich  der  Fachkräftebedarf
            Bundesinstitut  für  Berufsbildung  hang,  dass  sich  derzeit  junge  Men -
                                                                                  besser  sichern,  indem  die  Aner -
            (BIBB) hin. Ertl sieht diese nicht nur bei  schen  offensichtlich  eine  Ausbildung  kennung  ausländischer  Berufsab -
            den  Berufen  der  neuen  Schlüssel -  in den MINT-Berufen weniger zutrau-
            technologien, sondern ebenso in der  ten.  So  sei  allein  an  der  Universität  schlüsse vereinfacht und beschleunigt
                                                                                  würde. Krüger sieht hier den Gesetz -
            Pflege und bei der Erziehung, auch im  Stuttgart  ein  Rückgang  von  50  Pro -
                                                                                  geber in der Pflicht.
            Baugewerbe sowie bei den Gebäude-  zent in diesen Studiengängen zu ver-
            und versorgungstechnischen Berufen.  zeichnen.                                    (Deutscher Bundestag)


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