Page 3 - ZBI-Nachrichten 4/2019
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Leitartikel



             Die Honorarordnung und das EU-Recht

             Von Wilfried Grunau




           D      ie  Mindest-  und  Höchstsätze  währleistet.  Und  diese  Freizügigkeit  rem, weil auch fachlich nicht geeigne-
                                                                                  te  Personen  –  sprich:  nicht  ausgebil-
                                               ist eines der wichtigsten Prinzipien der
                  der  Honorarordnung  für
                  Architekten  und  Ingenieure
                                               gierung hat die Regelungen der HOAI
            (HOAI)  sind  nicht  mit  dem  EU-Recht  Europäischen  Union.  Die  Bundesre -  dete  Architekten  und  Ingenieure  –
                                                                                  nach  bisherigem  deutschem  Recht
            vereinbar.  Zu  diesem  Ergebnis  kam  in  diesem  Verfahren  verteidigt.  Sie  den  Mindestpreisen  der  HOAI  unter-
            am 4. Juli der Europäische Gerichtshof  machte geltend, dass mit bindenden  liegen: „Der Umstand jedoch, dass in
            (EuGH)  in  seinem  Urteil  im  Vertrags -  Mindestpreisen die Ziele der Qualität  Deutschland  Planungsleistungen  von
            verletzungsverfahren  der  EU-Kom -  der  Planungsleistungen,  des  Ver -  Dienstleistern  erbracht  werden  kön-
            mission  gegen  die  Bundesrepublik  braucherschutzes,  der  Bausicherheit,  nen,  die  nicht  ihre  entsprechende
            Deutschland. Um es kurz zu machen:  des  Erhalts  der  Baukultur  und  des  fachliche  Eignung  nachgewiesen
            Damit  ist  eine  Honorarvereinbarung  ökologischen Bauens erreicht werden  haben,  lässt  im  Hinblick  auf  das  mit
            im Rahmen der Mindest- und Höchst -
            sätze  der  HOAI  künftig  nicht  mehr
            zwingend vorgeschrieben.
            Der  vertraglichen  Honorarverein ba -
            rung der Vertragspartner kommt da -
            mit ab sofort eine größere Bedeutung
            zu. Das Urteil hat auch zur unmittel-
            baren  Folge,  dass  die  öffentlichen
            Stellen  in  Deutschland  aufgrund  des
            Anwendungsvorrangs  des  Europa -
            rechts verpflichtet sind, ab sofort die
            für  europarechtswidrig  erklärten  Re -
            gelungen der HOAI nicht mehr anzu-
            wenden.  Daher  darf  beispielsweise
            bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
            über  Architekten-  oder  Ingenieur-lei-
            stungen  Angeboten  der  Zuschlag
            nicht mehr aufgrund der Tatsache ver-
            weigert  werden,  weil  die  angebote-  Dipl.-Ing. Wilfried Grunau ist Präsident des Zentralverbandes der Ingenieurvereine (ZBI) und
            nen  Preise  unterhalb  der  Mindest-  zugleich Präsident des Verbandes Deutscher Vermessungsingenieure (VDV), Berufsverband
            oder  oberhalb  der  Нöchstsätze  der  für Vermessung und Geoinformation.
            HOAI liegen.
                                               sollen.  Anders  gesagt:  zu  niedrige  den Mindestsätzen verfolgte Ziel, eine
            Was  ist  geschehen?  Im  Jahr  2015
                                               Honorare führen potentiell zu einem  hohe Qualität der Planungsleistungen
            hatte  die  Europäische  Kommission
                                               Qualitätsverlust. Die Höchstpreise hin-  zu  erhalten,  eine  Inkohärenz  in  der
            das Vertragsverletzungsverfahren we -
                                               gegen sollten den Verbraucherschutz  deutschen  Regelung  erkennen.“  Der
            gen der Mindest- und Höchsthonorar -
                                               sicherstellen,  indem  sie  die  Trans -  EuGH  stellt  in  seiner  Urteilbegrün -
            sätze der HOAI eingeleitet. Sie sah in
                                               parenz der Honorare im Hinblick auf  dung  weiter  fest,  „dass  es  der
            diesen  Regelungen  einen  Verstoß
                                               die  entsprechenden  Leistungen  ge -  Bundesrepublik  Deutschland  nicht
            gegen die Niederlassungsfreiheit und
                                               währleisteten  und  überhöhte  Hono -  gelungen ist, nachzuweisen, dass die
            die Dienstleistungsrichtlinie. Ihrer An -
                                               rare unterbänden.                  in  der  HOAI  vorgesehenen  Mindest -
            sicht  nach  waren  ausländische  Pla -
                                                                                  sätze  geeignet  sind,  die  Erreichung
            nungs büros  daran  gehindert,  in  Grundsätzlich  wird  in  der  Urteilsbe -
                                                                                  des  Ziels  einer  hohen  Qualität  der
            Deutsch land zu Honoraren vor allem  gründung  zwar  ein  Zusammenhang
                                                                                  Planungsleistungen  zu  gewährleisten
            unterhalb,  aber  auch  oberhalb  der  zwischen  verbindlichen  Honorarsät -
                                                                                  und den Verbraucherschutz sicherzu-
            vorgegebenen Honorare zu arbeiten.  zen und Planungsqualität anerkannt,
                                                                                  stellen.“
            Daher sei der Zugang auf den deut-  gleichwohl  ist  das  Gericht  der  Argu -
            schen Planungsmarkt für Architekten  mentation der Bundesregierung letzt-  Das  Urteil  des  EuGH  bedeutet  jetzt
            und Ingenieure aus der EU nicht ge -  lich  aber  nicht  gefolgt.  Unter  ande-  nicht unbedingt das Ende der HOAI.
            zbi nachrichten 4-19                                                                              3
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