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Leitartikel
Die Honorarordnung und das EU-Recht
Von Wilfried Grunau
D ie Mindest- und Höchstsätze währleistet. Und diese Freizügigkeit rem, weil auch fachlich nicht geeigne-
te Personen – sprich: nicht ausgebil-
ist eines der wichtigsten Prinzipien der
der Honorarordnung für
Architekten und Ingenieure
gierung hat die Regelungen der HOAI
(HOAI) sind nicht mit dem EU-Recht Europäischen Union. Die Bundesre - dete Architekten und Ingenieure –
nach bisherigem deutschem Recht
vereinbar. Zu diesem Ergebnis kam in diesem Verfahren verteidigt. Sie den Mindestpreisen der HOAI unter-
am 4. Juli der Europäische Gerichtshof machte geltend, dass mit bindenden liegen: „Der Umstand jedoch, dass in
(EuGH) in seinem Urteil im Vertrags - Mindestpreisen die Ziele der Qualität Deutschland Planungsleistungen von
verletzungsverfahren der EU-Kom - der Planungsleistungen, des Ver - Dienstleistern erbracht werden kön-
mission gegen die Bundesrepublik braucherschutzes, der Bausicherheit, nen, die nicht ihre entsprechende
Deutschland. Um es kurz zu machen: des Erhalts der Baukultur und des fachliche Eignung nachgewiesen
Damit ist eine Honorarvereinbarung ökologischen Bauens erreicht werden haben, lässt im Hinblick auf das mit
im Rahmen der Mindest- und Höchst -
sätze der HOAI künftig nicht mehr
zwingend vorgeschrieben.
Der vertraglichen Honorarverein ba -
rung der Vertragspartner kommt da -
mit ab sofort eine größere Bedeutung
zu. Das Urteil hat auch zur unmittel-
baren Folge, dass die öffentlichen
Stellen in Deutschland aufgrund des
Anwendungsvorrangs des Europa -
rechts verpflichtet sind, ab sofort die
für europarechtswidrig erklärten Re -
gelungen der HOAI nicht mehr anzu-
wenden. Daher darf beispielsweise
bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
über Architekten- oder Ingenieur-lei-
stungen Angeboten der Zuschlag
nicht mehr aufgrund der Tatsache ver-
weigert werden, weil die angebote- Dipl.-Ing. Wilfried Grunau ist Präsident des Zentralverbandes der Ingenieurvereine (ZBI) und
nen Preise unterhalb der Mindest- zugleich Präsident des Verbandes Deutscher Vermessungsingenieure (VDV), Berufsverband
oder oberhalb der Нöchstsätze der für Vermessung und Geoinformation.
HOAI liegen.
sollen. Anders gesagt: zu niedrige den Mindestsätzen verfolgte Ziel, eine
Was ist geschehen? Im Jahr 2015
Honorare führen potentiell zu einem hohe Qualität der Planungsleistungen
hatte die Europäische Kommission
Qualitätsverlust. Die Höchstpreise hin- zu erhalten, eine Inkohärenz in der
das Vertragsverletzungsverfahren we -
gegen sollten den Verbraucherschutz deutschen Regelung erkennen.“ Der
gen der Mindest- und Höchsthonorar -
sicherstellen, indem sie die Trans - EuGH stellt in seiner Urteilbegrün -
sätze der HOAI eingeleitet. Sie sah in
parenz der Honorare im Hinblick auf dung weiter fest, „dass es der
diesen Regelungen einen Verstoß
die entsprechenden Leistungen ge - Bundesrepublik Deutschland nicht
gegen die Niederlassungsfreiheit und
währleisteten und überhöhte Hono - gelungen ist, nachzuweisen, dass die
die Dienstleistungsrichtlinie. Ihrer An -
rare unterbänden. in der HOAI vorgesehenen Mindest -
sicht nach waren ausländische Pla -
sätze geeignet sind, die Erreichung
nungs büros daran gehindert, in Grundsätzlich wird in der Urteilsbe -
des Ziels einer hohen Qualität der
Deutsch land zu Honoraren vor allem gründung zwar ein Zusammenhang
Planungsleistungen zu gewährleisten
unterhalb, aber auch oberhalb der zwischen verbindlichen Honorarsät -
und den Verbraucherschutz sicherzu-
vorgegebenen Honorare zu arbeiten. zen und Planungsqualität anerkannt,
stellen.“
Daher sei der Zugang auf den deut- gleichwohl ist das Gericht der Argu -
schen Planungsmarkt für Architekten mentation der Bundesregierung letzt- Das Urteil des EuGH bedeutet jetzt
und Ingenieure aus der EU nicht ge - lich aber nicht gefolgt. Unter ande- nicht unbedingt das Ende der HOAI.
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