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Leitartikel
Alles digital?
Von Wilfried Grunau, Präsident des ZBI
D ass die Welt digital ist oder kompensierten . Der Phi lo soph und Wertschöpfungspo ten ziale erschlie-
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werden wird, scheint ausge-
Publizist Richard David Precht fordert
ßen und uns Menschen die Arbeit er -
machte Sache und ist zwi -
ta li sierung und des befürchteten
lehnung an den Koa li tionsvertrag das
schenzeitlich wohl auch schon bis in angesichts der fortschreitenden Digi - leichtern. So zumindest sieht es in An -
die letzten Ecken des Landes vorge- Weg falls von traditionellen Arbeits - jüngst veröffentlichte Papier der Bun -
drungen. Aktuell steht also nur noch plätzen in Millionenhöhe gar ein desregierung mit Eck punkten für eine
die flächendeckende (!?) und schon bedingungsloses Grundein kommen. „Strategie Künst liche Intelligenz“ in
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lange versprochene Versorgung mit Deutschland . Deshalb hat das Kabi -
schnellem Internet aus und dann nett kürzlich auch die Agentur zur
kann’s endlich losgehen. Aber ist die Förderung von Sprunginnovationen
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Digitalisierung wirklich das Ziel aller ins Leben gerufen . Dabei handelt es
Dinge? Nicht wenige – auch Inge - sich solche Inno vationen, die eine
nieur_innen – fragen beispielweise: radikale technologische Neuerung
wo bleibt der Mensch? Sei es nun aus beinhalten. Sie haben das Potenzial,
existenziellen (fällt möglicherweise bislang bekannte Techniken und
der Arbeitsplatz weg?) oder auch aus Dienstleistungen bahnbrechend zu
ethischen Gründen (gefährdet die ver ändern und zu ersetzen. Die neue
künstliche Intelligenz mittel- bis lang- Agentur soll nun den Forschern und
fristig sogar die Existenz der Mensch - Erfindern dabei helfen, ihre Ideen –
heit?). wie beispielsweise neuen Formen der
Mobilität oder der Künstlichen Intelli -
In einer weltweiten Umfrage unter
genz – in die Praxis zu bringen und
Unternehmensvorständen haben zwei
damit Deutschland wieder an die
Drittel der befragten CEO angegeben,
Spitze der technologischen Entwick -
dass nicht mehr Menschen ihre wich- Dipl.-Ing. Wilfried Grunau ist seit 2014 lung katapultieren.
tigste Ressource sind, sondern Tech - Präsident des Zentralverbandes der Inge -
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nologie . Das ist eine durchaus be - nieurvereine (ZBI) sowie seit 1993 Präsi - Viele Zukunftsfor scher prognostizieren
dent des Verbandes Deutscher Ver -
ängstigende Aussage, allerdings zwei derzeit, dass die kommenden neuen
messungs ingenieure (VDV).
Jahre alt. Eine Oxford-Studie 2 aus Technologien uns Berufe und Tätig -
dem Jahre 2013 prognostizierte, dass keiten bringen werden, die wir heute
Soft ware und Roboter in den nächs - Zwar gelten die Digitalisierung und in noch gar nicht mit Namen kennen.
ten 20 Jahren die Hälfte aller mensch- ihrer weiteren Entwicklung die KI als Das mag stimmen, diese Aus sage galt
lichen Jobs ersetzen werden. Ein die Zukunftstechnologien schlechthin aber auch schon in früheren Zeiten
Viertel dieser Zeit ist schon vergan- und bei vielen als Vernichter von und ist eigentlich nicht gerade überra-
gen. Es ist sicherlich richtig, dass die Millionen von Arbeitsplätzen. Damit schend. Gleich wohl, es klingt span-
Arbeit sich verändert hat, aber das ist hat der Glaube an diese alles verän- nend, aber eben auch beängstigend.
nichts Neues. dernde Macht des Digitalen aber
Natürlich: Die digitalen Technologien
schon fast so etwas wie Endzeit -
Verfolgt man die aktuelle Berichter - entwickeln sich äußerst rasant – um
stimmung. Doch die Schreckenssze -
stattung rund um den Themenkom - einiges schneller als der Mensch sich
na rien fußen überwiegend auf An -
plex Digitalisierung und Künstliche anpassen kann – und verlangen uns in
nahmen und von der Realität zum Teil
Intelligenz (KI), dann ist beispielsweise unserem Arbeitsalltag auch einiges
längst überholten Prognosen. Bei -
von signifikanten Rationalisierungs - ab. Aber betrachten wir die Situation
spiels weise arbeiten wir heute – ent-
pro zessen die Rede. Walter Sinn, doch einmal aus unserer fachlichen, in
gegen allen früheren Vorhersagen –
Deutschlandchef der Unternehmens - meinem konkreten Fall also der geo-
nicht alle als Cyber-Nomaden von Zu -
beratung Bain & Com pany, sagte dätischen Perspektive: Die Geodäsie
hause, im Café oder im Zug.
kürzlich etwas zugespitzt eine „Ero - hat ca. 30 bis 40 Jahre Erfahrung in
sion der Mittelschicht“ so wie „gesell- Aktuell wird nun die Künstliche Intel - der Digitalisierung ihrer Daten und
schaftliche und wirtschaftliche Insta - ligenz in den Fokus gerückt: Diese soll ihrer Prozesse. Kaum eine andere Pro -
bi li tät“ voraus, weil Digi talisierung Deutschland zu einem attraktiveren fession hat derartige Erfahrungen.
und KI den Fachkräfte mangel über- For schungsstandort ma chen, neue Der digitale Fortschritt hat in der Geo -
zbi nachrichten 4-18 3