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Bericht aus Brüssel
Europäische Regelungen im Blick
Herausforderungen an die berufspolitische Arbeit eines Ingenieurverbandes
Von Wilfried Grunau, Präsident des ZBI
I n den letzten Jahren war eine zu - damit bei jeder Gesetzesinitiative nen Preisrahmens mit etablierten
nehmende Kompetenzverlage rung
nachweisen, dass sie die jeweilige
Anbietern in Wettbewerb treten wol-
in den verschiedensten Rechts -
Kommission, würden daran gehin-
normen zu verzeichnen, sprich: die Eu - Aufgabe besser lösen kann als die len. Diese Anbieter, so die EU-
Regionen oder die Mitgliedstaaten.
ro päische Union hat vermehrt Rechts - Der Vertrag von Amsterdam enthält dert, Leistungen gleicher Qualität zu
bereiche für harmonisierungsbedürftig im so genannten „Subsidiaritäts pro - niedrigeren Preisen und Leistungen
empfunden und entsprechende Rege - tokoll“ dazu auch rechtlich verbindli- höherer Qualität zu höheren Preisen
lungen erlassen. Alle EU-Mitglied - che Präzisierungen für die An wen - zu erbringen. Dies stelle eine Be -
staaten sind an Bestim mun gen dieses dung des Subsidiaritätsprinzips. Be - schränkung der Niederlassungsfrei -
so genannten Primärrechts gebunden. deut sam ist auf europäischer Ebe ne, heit dar und sei daher nicht gerecht-
Damit beeinflusst das euro päische dass die EU-Kommission und nicht fertigt, insbesondere nicht durch das
Recht auch deutsche Rechts normen in das EU-Parlament darüber bestimmt, Interesse an der Wahrung der Qualität
zunehmender Weise. wie und was auf EU-Ebene reguliert der Dienstleistungen, welche nach
und auf nationaler Ebene dereguliert Auffassung der EU-Kommission in
Im Rahmen solcher Gesetzgebungs -
werden soll. Häufig führt dies zu einer keinem unmittelbaren Zusammen -
verfahren haben natürlich die Mit -
negativen Wahrnehmung bzw. gerin- hang mit dem Preis stehe. Die sehr
gliedsstaaten wie auch Interessen -
gen Akzeptanz der Entscheidungen ausführlich begründeten Argumente
grup pen die Möglichkeit, ihre Stel -
der EU-Kommission. zur Erhaltung der HOAI müssen an
lungnahmen einzubringen. Der ZBI
dieser Stelle nicht wiederholt werden,
vertritt die Interessen seine Mitglieder
sie wurden in den ZBI-Nachrichten
dabei national wie auch international Die HOAI vor dem EuGH
(und nicht nur dort) bereits mehrfach
auf den verschiedensten Wegen: sei
Ein in der Fachwelt bekanntes Beispiel ausführlich dargestellt. Leider ist die
es durch direkte Gespräche mit Ab -
ist der Dissens über die Honorarord - EU-Kommission nicht überzeugt wor-
geordneten der Parlamente oder auch
nung für Architekten und Ingenieure den und hat im Juni 2017 vor dem
im Verbund mit Partnerorganisa tio -
(HOAI). Die EU-Kommission vertritt im Gerichtshof der Europäischen Union
nen. Eines ist aber allen gemeinsam:
Gegensatz zu Deutschland die Auf - (EuGH) Klage gegen die Bundes re -
diese Gespräche und Stellung nahmen
fassung, das System der verbindlichen publik Deutschland eingereicht. Posi -
bedürfen sehr intensiver und fach-
Mindest- und Höchstpreise der HOAI tiv sei an dieser Stelle erwähnt, dass
kompetenter Vorbereitungen. Der ZBI
erschwere die Niederlassung von Ar - der Koalitionsvertrag von CDU, CSU
kann hierbei aufgrund seiner fachlich
chitekten und Ingenieuren, die mit und SPD ausdrücklich vermerkt: „Die
sehr breit aufgestellten Mit glieder -
Angeboten außerhalb des zugelasse- Honorarordnung für Architekten und
struktur auf ein äußerst kompetentes
Netzwerk zurückgreifen.
© Pixabay (CCO)
Ein wesentlicher Eckpfeiler der euro-
päischen Gesetzgebungspolitik ist das
Subsidiaritätsprinzip. Übergeordnete
Strukturen sollen demnach nur tätig
werden, wenn untergeordnete Struk -
turen sich nicht eigenständig organi-
sieren können. Entsprechend darf die
EU daher nur eingreifen, wenn die
Maßnahmen der Mitgliedsstaaten
nicht ausreichen oder die politischen
Ziele nur auf Gemeinschaftsebene
erreicht werden können. Das Sub -
sidiaritätsprinzip dient nicht nur der
Erhaltung der Eigenständigkeit der
EU-Staaten, es hilft auch, ein Stück -
chen „EU-Bürokratie“ abzubauen.
Die Europäische Kommission muss
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