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Bericht aus Brüssel
Weibliche Tech-Talentlücke
Nur 22 Prozent aller europäischen Tech-Jobs von Frauen besetzt
E in höherer Frauenanteil in fil (z.B. Cloud oder DevOps), schnel - absolvieren. Dieser Rückgang hat das
Potenzial, einen sich selbst erfüllen-
Tech-Jobs kann eine Lösung
lem Wachstum und einem hohen
zur Stärkung der Innovations -
wenigsten Frauen. Ohne Gegen maß -
fähigkeit Europas sein. Denn: In Bedarf an Technologietalenten die den Abwärtszyklus zu erschaffen. Da
nur 19% der IKT-Bachelor-Studieren -
Europa fehlen bis 2027 zwischen 1,4- nahmen droht der Anteil von Frauen den Frauen sind, sind sie unter dem
3,9 Millionen Arbeitskräfte im Tech - in den Technologiesegmenten in Gros männlicher Mitstudenten isolier-
nologieumfeld, in Deutschland alleine Europa bis 2027 auf 21% zu sinken. ter und fallen eher durchs Raster,
780.000. bevor sie ihr Studium erfolgreich
Um zu ermitteln, an welchen Stellen
abschließen können.
Die steigende Nachfrage nach europä- Frauen aus dem Tech-Talentpool fal-
ischen Talenten im Technologie bereich len, hat die Studie sowohl den Allerdings zeigen sich deutliche Un -
kann durch den heutigen, überwie- Bildungsbereich – schulische wie uni- ter schiede zwischen den EU-Mit -
gend von Männern geprägte Talent - versitäre Ausbildung – als auch die gliedsstaaten: Während die nord- und
pool nicht gedeckt werden. Gelingt es Erwerbsbevölkerung in der EU unter- osteuropäischen Länder fast eine
den 27 EU-Mitglieds staaten jedoch, sucht. Hierfür wurden Daten aus zwei Geschlechterparität im MINT-Bereich
den Frauenanteil in Tech-Rollen von Hauptquellen herangezogen: Einer erreichen, hinken die süd- und mittel-
heute 22% auf bis zu 45% in 2027 Analyse von Daten zur schulischen europäischen Länder hinterher. So
zu verdoppeln – ge schätzt 3,9 Millio - und akademischen Bildung der EU- liegt Deutschland mit einem Frauen -
nen zusätzliche Frauen in Tech-Rollen 27-Mitgliedstaaten sowie einem anteil von 22 % bei Bachelor-Ab -
– könnte Euro pas BIP um 260 bis 600 Datensatz von Eightfold.AI, einer KI- schlüssen in MINT-Fächern deutlich
Milliar den EUR steigen. Dies geht aus Plattform für Talententwicklung. Letz - unter dem EU-Schnitt (32%). Die vor-
einer Studie von McKinsey & Com - terer umfasst mehr als 60 Millionen deren Plätze belegen Griechenland
pany mit dem Titel „Women in tech: anonymisierte europäische Mitarbei - (41 %), Schweden (41 %), Estland
The best bet to solve Europe's talent ter profile und mehr als eine Millionen (40%) und Polen (40%).
shortage“ hervor. Technologieprofile.
Gründe für die ungleiche Entwicklung
„Der Mangel an Geschlechterdi ver - liegen vor allem in Stereotypen und
sität in Europas Technologielandschaft Schulische und universitäre falscher gesellschaftlicher Wahrneh -
führt zu erheblichen Nachteilen für Ausbildung als erste Gate - mung der MINT-Fähigkeiten von Mäd -
Beschäftigte, Innovation und die keeper für Mädchen und chen gegenüber Jungen. „Mäd chen
gesamte europäische Gesellschaft“, Frauen werden häufig geringere MINT-
sagt Sven Blumberg, Senior Partner Fähigkeiten zugesprochen als Jungen.
„Während der Grund- und Sekundar -
im Düsseldorfer Büro von McKinsey & Gepaart mit dem Einfluss allgemeiner
schulbildung gibt es keine Hinweise
Company und einer der Studienauto - Stereotypen und dem Mangel an
ren. Etwas positiver sieht das Bild in darauf, dass Jungen besser in Mathe weiblichen Vorbildern führen diese
oder Informatik sind als ihre Klassen -
Technologieunternehmen aus. Doch Vorurteile zu mehr Erwartungsdruck
kameradinnen“, sagt Melanie
mit einem Frauenanteil von % ist die bei gleichzeitig geringerer Unterstüt -
Krawina, Beraterin aus dem Wiener
Geschlechterdiversität auch in der zung von Mädchen und Frauen durch
europäischen Tech-Branche hinweg McKinsey-Büro und eine der Studien - Lehrerenden, Kommilitonen oder
autorinnen. Trotz Parität nach der
deutlich zu gering. Zumal sich der Eltern“, so Melanie Krawina.
Schulausbildung zeigt sich ein erster
Frauenanteil hier über alle Unterneh -
dramatischer Absturz (-18 Prozent -
mensrollen erstreckt.
punkte) bei Frauen, die sich für eine Einstieg ins Berufsleben
Das Problem könnte sich zukünftig universitäre MINT-Disziplin (Mathe - senkt den Frauenanteil in
weiter verschärfen. Seit 2016 stag- matik, Informatik, Naturwissenschaf - Tech-Profilen noch einmal
niert die Zahl der . So lag etwa der ten und Technik) einschreiben. Der deutlich
Anteil der Bachelor-Absolventinnen in Rückgang ist mit -31 Prozentpunkten
MINT-Fächern in 2016 bei 33% und sogar noch signifikanter bei jungen Der zweite Drop-off-Punkt offenbart
ist bis 2020 auf 32 % gesunken. Frauen, die ihre akademische Ausbil - sich nach der universitären Ausbil -
Zudem finden sich in Berufen oder dung in einer IKT-Disziplinen (Infor ma - dung. Die Analysen der Studienauto -
Bereichen mit klarem Technologie pro - tions- und Kommunikationstechnik) ren zeigen, dass nur 23% der MINT-
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