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Bericht aus Brüssel



             Bundesgerichtshof zur HOAI: EuGH soll entscheiden

             (K)ein Urteil zur Anwendbarkeit der HOAI-Mindestsätze




           D      er unter anderem für Rechts -  Der  Bundesgerichtshof  hat  nun  die  stand der Rechtsunsicherheit für lau-
                                               Entscheidung  darüber  in  einem  der
                  streitigkeiten  über  Architek -
                                                                                  fende  Ver fahren  bleibt  damit  jedoch
                  ten-  und  Ingenieurverträge
            zuständige VII. Zivilsenat des Bundes -  ihm  vorliegenden  Verfahren  ausge-  zunächst bestehen.
                                               setzt  und  dem  EuGH  verschiedene
                                                                                  Die  Leistungsphasen  und  Honorar -
            gerichtshofs hat am 14. Mai über die  Fragen dazu vorgelegt.
                                                                                  sätze der HOAI sind seit Jahrzehnten
            Frage  verhandelt,  ob  maßgebliche
                                                                                  als  Grundlage  für  das  Planen  und
            Bestimmungen  der  HOAI,  insbeson-
                                               EuGH soll klären                   Bauen  in  Deutschland  etabliert  und
            dere auch die verbindlichen Mindest-
                                                                                  bieten einen verlässlichen Rahmen für
            und  Höchstsätze,  trotz  des  EuGH-  Aus Sicht des BGH bedarf es seitens
                                                                                  Bauherren,  Planer  und  Bauausfüh -
            Urteils  vom  4.7.2019  bis  zu  einer  des EuGH zuvor der Klärung, ob die  rende.  Die  HOAI  bietet  zudem  eine
            Neufassung  der  Verordnung  weiter-  EU-Dienstleistungsrichtlinie  (2006/
                                                                                  große Rechtssicherheit für alle am Bau
            hin anzuwenden sind oder nicht.    123/EG)  zwischen  Privaten  unmittel-
                                                                                  Beteiligten,  da  sich  Rechtsprechung
                                               bar  Anwendung  findet  oder  nicht.
            Mehrere  Oberlandesgerichte  hatten                                   und Praxis tiefgreifend mit den einzel-
                                               Allgemein wird dies verneint, insofern
            hierzu gegensätzliche Positionen ver-                                 nen  Leistungsbildern  auseinanderge-
                                               wäre  es  folgerichtig,  eine  Weitergel -
            treten. Bereits unmittelbar nach dem                                  setzt haben.
                                               tung  der  Mindestsätze  in  laufenden
            EuGH-Urteil vom Juli 2019 hatten sich
                                               Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten  Die zuständigen Ressorts der Bundes -
            mehrere  Oberlandesgerichte  (OLG)  zu bejahen.                       regierung  arbeiten  derzeit  unter
            widersprüchlich zu den aus dem Urteil
                                                                                  enger  Einbindung  der  Bundesinge -
            zu  ziehenden  tatsächlichen  Konse -  Der BGH hat in der mündlichen Ver -
                                                                                  nieurkammer, der Bundesarchitekten -
            quenzen geäußert. Während die eine  handlung  deshalb  auch  durchblicken
                                                                                  kammer  und  dem  AHO  an  einer
            Fraktion von einer Weitergeltung der  lassen,  dass  er  der  Rechtsauf fas sung
                                                                                  Anpassung der HOAI an die Vorgaben
            Mindestsätze  bis  zum  Erlass  einer  (unter  anderem)  des  OLG  Hamm
                                                                                  des EuGH-Urteils vom 4. Juli 2019 (C-
            neuen  gesetzlichen  Regelung  aus-  zuneigt, welches sich für eine unein-
                                                                                  377/17).   Mit   der   novellierten
            ging, behandelte die andere Seite die  geschränkte Weitergel tung der HOAI  Verordnung ist wohl noch im Sommer
            Mindestsätze  sofort  als  unzulässig  bis zu einer Neu regelung ausgespro-
                                                                                  2020 zu rechnen. In einem nächsten
            und  damit  nicht  mehr  anwendbar.  chen  hatte.  Diese  Auffassung  käme
                                                                                  Schritt  sollen  sodann  die  übrigen  –
            Erst  recht  umstritten  war  daher  die  den  Interessen  der  Architekten  und
                                                                                  über  die  vom  EuGH  festgestellte
            Frage, ob in laufenden Rechtsstreitig -  In genieure entgegen. Da diese Rechts -  Unionsrechtswidrigkeit  hinausgehen-
            keiten zwischen Privaten im Rahmen  frage  aber  grund sätzlicher  Natur  ist,
                                                                                  den – Punkte der HOAI angegangen
            sog. „Aufstockungsklagen“ die Min -  die über den vorliegenden Fall hinaus
                                                                                  werden.
            destsätze  noch  eingefordert  werden  geht, hat der BGH den EuGH diesbe-
            konnten (und können) oder nicht.   züglich um Klärung ersucht. Der Zu -                (BAK/BIngK/red.)
             Die Fragen des BGH an den EuGH:
             Folgt aus dem Unionsrecht, dass Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe g) und Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie im Rahmen
             eines laufenden Gerichtsverfahrens zwischen Privatpersonen in der Weise unmittelbare Wirkung entfaltet, dass die dieser
             Richtlinie  entgegenstehenden  nationalen  Regelungen  in  §7  HOAI,  wonach  die  in  dieser  Honorarordnung  statuierten
             Mindestsätze für Planungs- und Überwachungsleistungen der Architekten und Ingenieure - abgesehen von bestimmten
             Ausnahmefällen  -  verbindlich  sind  und  eine  die  Mindestsätze  unterschreitende  Honorarvereinbarung  in  Verträgen  mit
             Architekten oder Ingenieuren unwirksam ist, nicht mehr anzuwenden sind?
             Sofern  Frage  1  verneint  wird:  Liegt  in  der  Regelung  verbindlicher  Mindestsätze  für  Planungs-  und  Über wachungs -
             leistungen von Architekten und Ingenieuren in § 7 HOAI durch die Bundesrepublik Deutschland ein Verstoß gegen die
             Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV oder gegen sonstige allgemeine Grundsätze des Unionsrechts?
             Sofern Frage 2a) bejaht wird: Folgt aus einem solchen Verstoß, dass in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen
             Privatpersonen die nationalen Regelungen über verbindliche Mindestsätze (hier: § 7 HOAI) nicht mehr anzuwenden sind?




            zbi nachrichten 2/3-20                                                                            17
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